Was ist Haptonomie?

Das Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet Fühlen, Tastsinn, auch Mitgefühl. Es ist die Wissenschaft von den Grundlagen der Affektivität. Ein Teilbereich der Haptonomie befasst sich mit der Kontaktaufnahme der Babys im Mutterleib durch die Hand an der Bauchdecke. Man bestärkt in der Schwangerschaft das Kind, dass es gut, erwünscht und wertvoll ist. Es gibt ihm eine enorme Sicherheit und den Eltern, vor allem dem Vater, aber auch der Mutter, ein unvergleichliches Gefühl der Nähe und Verbundenheit zum Kind, die sich anders niemals so intensiv erfahren lässt. „Ärzte oder Hebammen legen der Frau in den Wehen die Hände auf den Bauch und versuchen, Kontakt mit dem Baby aufzunehmen. Berührungskontakt und Mitgefühl, die aber auch der werdenden Mutter die Angst nehmen. Sie kann sich besser öffnen – und hat so bis zu 70% weniger Schmerzen! Eine sanfte Methode, harte Medikamente zu vermeiden, die es erst in wenigen Kliniken gibt“ das stand so in einer Zeitung.
Aber da stand einmal wieder nicht, worum es eigentlich geht. Einer Frau in den Wehen die Hände an den Bauch zu legen, über längere Zeit und mit Druck, ist normalerweise ohne vorherige haptonomische Begleitung nicht ohne Gewalt möglich. Und Hände auf den Bauch legen bedeutet nicht Haptonomie.
Wollen die Eltern das Kind haptonomisch begleiten, gehen sie zu einem Menschen, der die Haptonomie in einer langen Ausbildung erlernt hat und dessen eigene haptonomische Fähigkeiten entwickelt sein müssen, um überhaupt Haptonomie zu vermitteln und anzuwenden. Dies sollte ab der 20. – 27. Schwangerschaftswoche geschehen. Es sind einige Sitzungen dafür sinnvoll und notwendig.
Erklären kann man es nicht und Haptonomie ist ohne fachliche Anleitung unmöglich. Eine Anleitung zur Haptonomie ist deshalb schriftlich ebenso unmöglich. Die Ausbildung dürfen Hebammen, Gynäkologen, Heilpraktiker und Psychologen erwerben.


Zwischen den Sitzungen lernt die Mutter mit ihrem Gefühl und mindestens einer Hand am Bauch, beim Kind zu sein. Möglichst immer, bei allem, was sie tut. Der Vater macht eine Art Übung mit dem Baby, so oft er kann, und möglichst 30 Minuten am Tag hintereinander. Wir lernten unsere Kinder im Bauch zur Bewegung einzuladen und sie folgten der Einladung. Sie fühlten sich wohl, weil sie in ihrem Sein bestärkt wurden. Außerdem ist es Kindern am Ende der Schwangerschaft langweilig, und sie freuen sich auf Abwechslung beim Wachsen und sich richtig zu fühlen. Besonders unser erstes Kind wartete richtig, bis wir endlich anfingen.
Von einer Brieffreundin bekam ich einen Zettel über Haptonomie und fand darin folgendes: „Die Berührung durch eine Person mit voll entfalteten haptonomischen Fähigkeiten bewirkt eine große Elastizität und Dehnbarkeit der Muskeln, des Bindegewebes und der Haut, verbunden mit einem besonderen Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit.“


In der Medizin kommt die Haptonomie zur Anwendung bei jeder körperlichen Berührung, bei jeder Untersuchung, in der gesamten Pflege, bei der Sterbebegleitung und in der Therapie. Im Rahmen der Frauenheilkunde und Geburtshilfe findet die Haptonomie ihre Anwendung hauptsächlich in der Schwangerschaft, unter der Geburt und in der Zeit nach der Geburt als prä-, peri- und postnatale haptonomische Eltern-Kind-Begleitung. Dabei lernen die Mütter und Väter ihre haptonomischen Fähigkeiten bevorzugt im Kontakt zu ihrem Kind zu entwickeln. Das ermöglicht einen intensiven, gemütvollen Kontakt zu dem noch ungeborenen Kind, quasi ein ganzheitliches Empfinden des Kindes. Es kommt zu einem stillen innigen Dialog.


„Der haptonomische Kontakt der Eltern zu ihrem Kind bewirkt eine fundamentale Daseinsbestätigung und Seinsbestärkung des Kindes. Er führt auch zu einer Vertiefung der Beziehung und der Liebe der Eltern zueinander. Bei gestörter Elternbeziehung kann diese Gestörtheit aber auch deutlicher hervortreten.“

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Der Begründer der Haptonomie – es gibt sie seit über vierzig Jahren – ist Frans Veldmann. Er ist Holländer und lebt heute in Frankreich. Er gibt eine Broschüre heraus, die man in deutscher Sprache unter folgender Adresse anfordern kann: Internationales Zentrum zur Forschung und Entwicklung der Haptonomie, Mas del Ore, OMS 66400 Céret, Frankreich. Ich möchte aus dieser Informationsbroschüre ein paar nicht zusammenhängende Sätze zitieren, die besser erklären können, worum es bei der Haptonomie geht, erleben muss man es trotzdem selber:
„Die Haptonomie betrachtet die körperliche Gegenwärtigkeit, die lebende Aktualität des konkreten Menschen, als die Wirklichkeit des menschlichen Daseins. – Es sind vielmehr und insbesondere die tief ins Gemüt reichenden Gefühlskontakte und -beziehungen, die die Welt der Affektivität bestimmen, die der Mensch zu seiner Selbstentfaltung am meisten benötigt.
Es ist immer ein rührendes Erlebnis, die glückliche Verwunderung und die große Freude bei den Eltern zu beobachten, die das erste Mal während einer haptonomischen Begleitung in der affektiven Begegnung erleben, wie das Kind im Mutterschoß mit Bewegungen auf ihren psych-taktilen Kontakt antwortet.
In den meisten Fällen führt dies auch zu einer Vertiefung der Liebe und Beziehung der Eltern zueinander und so zu den bestmöglichen Bedingungen für die Geburt und den Empfang des Kindes.
Die haptonome Annäherung verändert sichtbar und fühlbar den Tonus der Bauchdecke und des Dammes und bewirkt eine große Elastizität der Muskulatur, einen Tonus und eine Dehnbarkeit, die ohne alle Verspanntheit dem Kind Raum und Freiheit gibt. Die Spiel- und Affektivitätskontakte mit dem Kind werden dem jeweiligen Entwicklungsstadium entsprechend verändert, ausgedehnt und angepasst. In seinen Reaktionen zeigt das Kind ganz deutlich, ob es Spaß, Freude und Vergnügen, oder im Gegenteil Unbehagen, Unmut und Widerstreben empfindet. Es macht seine Empfindungen der Mutter während dieser psychotaktilen, affektiven Begegnung spürbar, und dies ist deutlich sichtbar und fühlbar durch die Bauchdecke hindurch, wobei sich das Kind auf die Hände von Vater und Mutter zu bewegt. Aus dieser Begegnung heraus entwickelt sich ein Begegnungsspiel, das eine starke pränatale Bindung herstellt und so die Dauerhaftigkeit des affektiven, postnatalen Kontaktes vorbereitet. Die Mutter ihrerseits lernt Antizipierverhalten. Wenn das Kind z.B. durch starke Strampelbewegungen seinen Unmut und sein Unbehagen zum Ausdruck bringt, antwortet sie darauf mit einem psychotaktilen Kontakt, der die Spannung der Bauchdecke und des Dammes verändert und dadurch die Ursache dieser Unmutsbewegungen beseitigt. Fast augenblicklich beruhigt sich das Kind und reagiert durch ruhige Bewegungen. Die Mutter und das Kind befinden sich im Einklang (Syntonie).
Kinder, die so begleitet werden, zeigen eine harmonischere und schnellere postnatale Entwicklung und eine sehr frühe psychische Entfaltung. Es zeigt sich, dass sie psychomotorisch besser koordinieren können, aufmerksamer und lebhafter sind als Neugeborene, die keine haptonomisch affektive Begleitung hatten. Die Entwicklung der Intelligenz baut, wie wir wissen, auf der Art und Weise, dem Maß der Qualität der motorischen Entwicklung auf.“
Damals habe ich die ganzen Sätze gar nicht begriffen. Jetzt, nach über sieben Jahren und drei Kindern, verstehe ich sogar die vielen Fremdwörter und weiß, was gemeint ist. Mir hat noch der Satz gefallen:
„Das Kind bahnt sich aktiv seinen Weg zur Außenwelt und wird dabei durch die Kontraktion des Uterus unterstützt. Bei dieser wichtigen Prüfung wird das Kind durch seine Mutter angespornt und ermutigt, begleitet und geführt, die wiederum selbst vom Vater unterstützt wird. So kann die Mutter durch ihre gefühlsmäßige Wahrnehmung dem Kind den Weg ebnen, dem es bei der Geburt folgen soll: Sie kann ihm das Tor zur Welt öffnen.“
Das hat mir deshalb so gefallen, weil ich spürte, wie sich unser Sohn im Bauch abgestoßen hat, um über eine Schwellung zu kommen, die sich bei mir gebildet hatte. Kinder sind eben keine willenlosen Wesen. Sie wissen, was sie tun, auch bei der Geburt in den meisten Fällen. Die Kinder bahnen sich ihren Weg. Nicht die Wehen bringen sie zur Welt, die helfen nur unterstützend, die Kinder kommen von selbst.

Wie soll man es erklären?
Man kann die Gefühle der Haptonomie wirklich nicht beschreiben, sondern muss es erleben. Es lohnte sich so sehr, und ich wäre im Nachhinein bereit gewesen, dafür nach Hongkong zu fliegen. Auch wenn ich mein Baby stille und trage, kann ich dies später nicht nachholen. Zum Glück musste unser Kind nie in einen Kinderwagen, weil uns der Doc diesen Zahn gleich gezogen hat. Er sagte: „Ein Kinderzimmer und einen Kinderwagen braucht ihr nicht.“ Da kannten wir das wundervolle Buch „Auf der Suche nach dem verlorenen Glück“ noch nicht. Aber dieses Buch spricht dem Doc sicher aus dem Herzen.


Man muss es erfühlen. Der Bauch wird ganz weich, und Kind und Eltern sind im Gefühl verbunden; dann wird der Bauch noch viel weicher. Die meisten Leute sprechen vom ersten Lebenstag; unsere Kinder jedoch lebten schon lange als eigenständige Persönlichkeiten in meinem Bauch und wurden auch als solche angenommen. Das tat ihnen und uns gut. Das Urvertrauen wird nach der Geburt erhalten und gestärkt; es gibt wunderbare Babys, wenn der Schock der Berührungslosigkeit von 100% auf 0% sich langsam vollzieht und nicht in einer Sekunde. Bei der Geburt sollte auch alles stimmen; Kind auf den Bauch, Stimmen leise, Licht gedämmt, und danach gibt die Mutter das Kind nicht aus der Hand. Vielleicht höchstens einmal zum Abtrocknen und Anziehen, danach behält sie es bei sich.

Dr. med. M. Djalali, verstorbenes Mitglied des C.I.R.D.H für Deutschland (Zentrum zur Entwicklung und Erforschung der Haptonomie) stellte dar:
Haptonomische Eltern – Kind – Begleitung
„Die haptonomische prä- und postnatale Begleitung fördert die Entwicklung gefühlsmäßiger Bindungen zwischen Kind, Vater und Mutter und gestattet eine liebevolle, innige Beziehung bereits mit dem ungeborenen Kind. Haptonomie fördert den Empfang des Neugeborenen im Moment der Geburt und seine Versicherung der Geborgenheit in der Zeit danach. Das Kind erlangt sehr bald eine grundlegende Sicherheit, die es zu Autonomie, Kontakt und Vertrauen einlädt.“
Weil es unser Leben und das unserer Kinder so sehr bereicherte, haben wir ein Buch darüber geschrieben und sehr viel über haptonomische Begleitung von Kindern zusammengetragen. Möge es vielen Babys, Vätern, Geschwistern und Müttern zum Segen werden.